29.06.2023
Innovative Geschäftsideen, Veränderungsmanagenet | Gastgewerbe
Regionale und saisonale Lebensmittel zu verwenden sowie möglichst Bio-Qualität zu nutzen gehört in vielen Gastronomien bereits zur Praxis. Zum nächsten Schritt zählt „Regenerative Food“, wie die Trendforscherin Hanni Rützler es nennt. Was sich dahinter verbirgt – und wie Betriebe diesen Trend nutzen können - lesen Sie hier.
Die Wiener Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler zählt zu den profiliertesten Personen im deutschsprachigen Raum, wenn es um Food-Trends geht. Ihre neuesten Erkenntnisse und Prognosen stellt sie jedes Jahr in ihrem „Food Report“ vor. Ein zentraler, auch für die Gastronomie sehr spannender, Trend ist „Regenerative Food“.
Es handelt sich um Lebensmittel aus regenerativer Landwirtschaft, also jener Form der Bewirtschaftung, die darauf bedacht ist, dass sich Äcker und Böden stetig erholen und wiederherstellen können. Insbesondere wird darauf geachtet, dass die wertvolle Humusschicht geschützt und gestärkt wird, die Böden Wasser gut speichern können, eine gute Bodendurchlüftung gewährleistet ist und die Biodiversität erhalten bleibt. Kurz gesagt, bedeutet regenerative Landwirtschaft, im Einklang mit der Natur zu arbeiten. Es geht darum, den Böden Nährstoffe für den Feldfruchtanbau bzw. die Viehwirtschaft nicht zu entziehen, um anschließend wieder (oft synthetisch) düngen zu müssen, sondern ein sich selbst erhaltendes und regelndes Ökosystem zu schaffen.
Der überaus positive Nebeneffekt: Eine gesunde Humusschicht ist nicht nur wehrhaft gegen Erosion. Sie kann dank ihrer Fähigkeit, viel Wasser zu halten, gegen Überschwemmungen wirken. Zudem speichert und bindet sie auch viel Kohlenstoff bzw. CO2. Sprich: regenerative Landwirtschaft ist aktiver Klimaschutz. Und das wiederum bedeutet: Lebensmittel aus regenerativer Landwirtschaft tragen zum Klimaschutz bei.
Und nicht nur das – diese Lebensmittel können auch für mehr (geschmackliche) Vielfalt sorgen, zum Beispiel, wenn alte Obst- oder Gemüsesorten rekultiviert werden oder traditionelle Feldfrüchte wie Leguminosen (Hülsenfrüchte), zum Beispiel die Acker- oder Küstenbohne, wieder vermehrt angebaut werden.
„Regenerative Food, also die Produktion von Lebensmitteln nach Kriterien der regenerativen Landwirtschaft, ist nicht nur eine weitsichtige Antwort auf die Bedrohungen durch den Klimawandel, sondern sorgt auch für eine Diversifizierung der von uns verzehrten Pflanzenarten und damit für mehr Abwechslung auf unseren Tellern. “Hanni Rützler/ „Food Report 2023“
Beispiele für landwirtschaftliche Betriebe aus Schleswig-Holstein, die bereits mit regenerativer Landwirtschaft arbeiten, sind der Hof Fuhlreit in Kropp, der Osterhof auf Fehmarn oder Gut Haidehof in Wedel. Auf Gut Haidehof wird regenerative Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung in Verbindung gebracht: Die Hühner leben in mobilen Weidestellen, deren Standort regelmäßig verändert wird. Dadurch picken und scharren die Tiere immer wieder an unterschiedlichen Stellen. Sie lockern den Boden und düngen ihn auf natürliche Weise, was das Pflanzenwachstum fördert. Jedoch, ohne dass zu viele Nährstoffe in den Boden gelangen und die Grasnarbe zerstört wird, wie es bei festen Hühnerausläufen der Fall ist. Der Boden bleibt gesund, kann Kohlenstoff speichern – und die Tiere ernähren sich von Insekten und frischem Gras. Auch alte Haushuhn-Rassen werden hier gezüchtet. Die männlichen Tiere werden am Ende ihres (überdurchschnittlich langen) Lebens zu schmackhaften Brathähnchen. Die Hennen legen Eier in hoher Qualität und werden am Ende als delikates Suppenhuhn verkauft. „Regenerative Food“ vom Acker bis zum Teller – und auch Gemüse oder Obst aus dieser Form der Bewirtschaftung schmeckt besonders gut – zumal das gute Gewissen mitessen darf!
Restaurants und Co. können „Regenerative Food“ für sich nutzen, indem sie landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe als Partner auswählen, die nach entsprechenden Methoden arbeiten. Es entsteht eine Win-Win-Situation: Die Erzeuger bekommen dadurch eine bessere Planungs- und Abnahmesicherheit. Die gastronomischen Betriebe können hochwertige, nährstoffreiche, geschmacksintensive und nach Slow-Food-Prinzipien erzeugte Produkte verarbeiten. Es sind sogar Kooperationen möglich, bei denen der landwirtschaftliche Betrieb eigens für ein Restaurant (oder mehrere Betriebe, die sich zusammen geschlossen haben), anbaut. Zum Beispiel besondere und nur noch selten kultivierte Gemüse- und Obstsorten, die dann zu entsprechend einzigartigen Gerichten werden.
Natürlich lässt sich die Unterstützung regenerativ wirtschaftender Betriebe auch sehr gut für die Kommunikation des nachhaltigen Engagements (für Klimaschutz und zur Förderung der regionalen Landwirtschaft) nutzen – was für immer mehr Gäste ein wichtiger Faktor bei der Auswahl eines Restaurants oder Hotels ist.
Zum Beispiel in der Karte: „Wir verwenden für unseren Sommersalat die leckeren Vintage-Tomatensorten A, B und C, die unser Partner XY regenerativ anbaut. Das schützt den Boden, schützt das Klima und schmeckt einfach fantastisch.“ Wer bestellt da nicht?
Keywords: #Klimaschutz #Ökologie #Landwirschaft #Nachhaltigkeit #Saison
Autor: Jan-Peter-Wulf | www.japewu.de
Bildquelle: istockphoto.com/PointImages
Hanni Rützler ist dafür bekannt, den Wandel unserer Esskultur umfassend wahrzunehmen, aber auch unscheinbare Veränderungen zu registrieren und richtig einzuordnen. Als ausgebildete Ernährungswissenschafterin und Gesundheitspsychologin bewegt sie sich professionell zwischen den Disziplinen und versteht es, verschiedene Erkenntnisse zusammenzuführen und auf überraschende Weise fruchtbar zu machen.
Pierre Niehaus beschäftigt sich im Trendreport 2023/2024 mit der nationalen und internationalen Hospitality-Branche.
Unser aktuelles Ernährungssystem ist eine der Hauptursachen der globalen Erderwärmung. Zero Foodprint (ZFP) ermöglicht den Betreibenden von Gastronomie, sich gemeinsam mit ihren Gästen für die Klimawende zu engagieren.
Die Plattform zur Förderung der regenerativen Landwirtschaft in Deutschland, Österreich und Schweiz.
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