01.06.2023
Veränderungsmanagement, Digitalisierung, Unternehmensprozesse | Gastgewerbe
Wie heute Zimmerinventar vermarktet wird und warum für die meisten Individual- und kleine Kettenhotellerie eine starke Abhängigkeit ihres Verkaufs von Drittanbietern (OTAs) abhängt, findet ihre Erklärung in der Historie der online Distribution. Mit Hilfe der Darstellung der Entwicklung der letzten zwanzig Jahre kann nicht nur der Status Quo von heute nachvollzogen werden, sondern auch nachhaltig verändert werden. Die Einführung zu dem Thema soll dies erleichtern.
Aufgrund der Entwicklung der letzten zwanzig Jahre hat die Hotellerie mittlerweile die Kontrolle über ihr Inventar verloren. Der Großteil der Hotellerie ist beim Verkauf überproportional abhängig von OTAs (allen voran booking.com) und entsprechend haben wir in dieser Abhängigkeit auch kaum Einfluss auf die Kosten, die von Drittanbieter erhoben werden und die wir zahlen müssen. Abhängig von den vertraglichen Vereinbarungen verlieren die Hotels auch die Kontrolle über den Endpreis an den Gast, weshalb die Drittanbieter den Preis steuern und den Nutzer gezielt auf ihre jeweiligen Seiten locken. Auch unterschiedliche Zahlungskonditionen führen schnell zu einer Schieflage des Cash-Flows, denn Geld für die Übernachtungen erhalten Hotelbesitzer oftmals erst viele Tage nach der Abreise auf dem Konto.
All dies führt zu der Feststellung, dass Hotels weder die Expertise noch die finanziellen Mittel haben, die Nachfrage umzulenken, um mehr direkte Buchungen zu erhalten, die weder „Bester Preis“ oder die Vorteile an einem Kundenbindungsprogramm gegen ein übermächtiges Marketingbudget und Kundenprogramm eines OTAs ausrichten kann.
Zimmerinventar wurde schon immer in Kategorien gruppiert. In den Anfängen war es durchaus üblich, +20 verschiedene Zimmerkategorien zu haben (abhängig von der Größe eines Hauses gerne auch das Doppelte). Im Zuge dessen, dass Zimmerinventar in den 2000er immer mehr über das Internet angeboten wurde, musste das Inventar in eine immer kleiner werdende Zahl an Kategorien gepresst werden, um überhaupt noch „verkaufbar“ und für den Nutzer „verdaubar“ zu sein.
Dies hat zur Vereinfachung des Inventars geführt, dessen Besonderheiten einzelner Zimmer allerhöchstens heute beschreibend auf den Hotelwebseiten zu finden sind, aber nicht online buchbar. Zeitgleich hat sich unsere Preisstruktur verändert und sich von einem statischen Konstrukt hin in ein immer dynamischer werdendes, täglich sich änderndes Preisgefüge entwickelt. Das Ergebnis: ein riesigeres Angebot an unterschiedlichen Preisen und Konditionen trifft auf ein immer kleiner werdendes Inventar in Form von Kategorien.
Während sich die Preisstrategie in den letzten 20 Jahre radikal verändert hat, ist das Zimmerinventar – der ursprüngliche Zweck der Buchung eines Hotels! – statisch bzw. vereinfacht worden und hält weiterhin an einer aus den 1970er Jahren etablierten Struktur – den Kategorien – fest.
Buchungsplattformen haben sich das vereinfachte Inventarmanagement zu Nutze gemacht, um Zimmer und Hotelaufenthalte vergleichbar zu machen! Eine Unterscheidung reduziert sich damit - abgesehen von der Marke – nur noch auf den Preis oder die Gästebewertung!
Bis heute können aufgrund der existierenden Logik von Zimmerkategorien, relativ normale Wünsche wie Zimmer nebeneinander, eine bestimmte Bettenkonstellation, eine Aussicht, Stockwerk oder gar die Lage nicht fest gebucht werden. Und selbst bei telefonischer Bestätigung passieren durch die manuellen operativen Prozesse im Hotel immer wieder Fehler, sodass eine bereits zugewiesene Reservierung schlussendlich doch in einem komplett anderen Zimmer landet.
In Bewertungsportalen wie Tripadvisor findet man eine Vielzahl an Kundenrezessionen die in der hierfür eigenen Kategorie zum Thema „Room Tipps“, direkte Empfehlungen an künftige Gäste weitergeben.
Die derzeitigen „Property Management Systeme“ arbeiten mit einer statischen Inventarverwaltung die davon ausgeht, dass eine physische Zimmereinheit einer bestimmten Zimmerkategorie entspricht.
Die gesamte Logik ALLER technologischen Zulieferer der Hotellerie baut auf der Grundlage der Zimmerkategorien auf! Neue, verkaufsbasierte Systeme lösen diese statische Struktur ab und dynamisieren das Inventar.
Der Preis ist das ausschlaggebende Kriterium
Der Hotelier versucht über den Preis, die Gäste in sein Haus zu bekommen – oft ist der Preisvergleich mit der Konkurrenz auf booking.com sogar ausschlaggebend für die Preisanpassungen im eigenen Haus.
Die Erwartungshaltung von Gästen kann in einem vergleichenden System mit Zimmerkategorien durchweg einfach nicht erfüllt werden. Die Zimmerbilder auf den Portalen und gebuchten Kategorien stimmen oft nicht mit der Realität vor Ort überein, sodass es beim Gast zu Überraschungen bei der Ankunft kommt.
Die anschließenden Gästebewertungen sind in besonderen Maßen wichtig, denn sie beeinflussen das künftige Ranking auf den Portalen! Es ist so einfach geworden, negatives Feedback zu geben und seine nicht erfüllten Erwartungen schriftlich zum Ausdruck zu bringen. Negative Kommentare können künftige Buchungen nachhaltig beeinflussen und drücken den Zimmerpreis.
Die Konditionen bestimmten das Ranking. Neben dem Preis bestimmen auch die Konditionen auf die man sich mit den Drittanbietern einlässt, das Ranking des Hauses in den Portalen. Und aus Angst vor fehlenden Buchungen, lassen sich viele Hoteliers auf Konditionen ein, die den Geldfluss beeinträchtigt, die Kosten erhöhen und die Abhängigkeit von Drittanbietern weiter stärken.
Die Möglichkeiten: Der Blick über den Tellerrand
Ein Blick über den Tellerrand lässt uns auf den Einzelhandel schauen – die Meister in Sachen Markenbildung.
Die Verpackung und Etikettierung eines Produkts gibt uns Hinweise auf das Produkterlebnis. Sie definiert die Erwartungen für den Kunden und hat eine wichtige symbolische Bedeutung. Eine Disziplin, die im Beherbergungsgewerbe bisher völlig vernachlässigt wird.
Beispiel: Man kann für dasselbe Produkt alleine durch unterschiedliche Etikettierung, ganz andere Preise aufrufen. Den Dom Pérignon Vintage kann man z.B. mit zwei verschiedenen Etiketten kaufen. Einmal als normale Flasche oder alternativ mit einem illuminierten Etikett, welches im Dunkeln leuchtet. Genau dasselbe Produkt! Aber mit einem leuchtenden Etikett wird es für genau 29,79 Euro mehr verkauft als das Produkt ohne Leuchtmittel. Also knapp 30 Euro mehr nur für Prahlerei! Man kann sicher sein, dass sich die teurere Flasche bei Feiern viel besser verkauft (dabei ist der Verkaufsaufschlag noch nicht einmal eingerechnet). Beispiele wie diese findet man im Einzelhandel vielzählig und sie sind durchweg erfolgreich!
Die Erwartungshaltung der Gäste hat sich in den letzten Jahren verändert. Personalisierung und Wahl nach eigenen Präferenzen ist mittlerweile in allen anderen Industrien bereits zu einem neuen Standard geworden. Kleidungstücke können nach Präferenzen gewählt und bei Bedarf sogar personalisiert werden. Selbst bei den Empfehlungen von Filmen werden je nach Nutzerprofilen anderen Bilder für denselben Film eingespielt.
Beispiel: Unterschiedliche Bildauswahl für unterschiedliche Nutzer für ein und denselben Film
Auch ein Zimmererlebnis hat sowohl eine funktionale also auch eine emotionale Komponente, die genutzt werden kann. Passende Merkmale sind je nach Reisezweck, Reisebegleiter, Aufenthaltsdauer und Budget unterschiedlich wichtig.
Wendepunkt für die Technologie und Anwender
Neue Cloud-basierte Lösungen in vielen verschiedenen Bereichen gewinnen an Zugkraft und Relevanz im Markt sowie eine Reihe verschiedener "Add on"-Technologien (Upselling-Lösungen, digitale Gästemappe, Online-Concierge-Services, Review-Tools usw.) haben das Ziel, den Customer Journey zu verbessern. Durch den Generationswechsel und Fachkräftemangel in der Hotellerie werden Altsysteme durch nutzerfreundliche und intuitive, Cloud Lösungen abgelöst, dessen Anbindungen und Integration in andere Systeme einfach und kostengünstig sind.
Damit Beherbergungsbetriebe langfristig wieder mehr Macht gegenüber Buchungsportalen erlangen und ihr Direktgeschäft stärken, müssen sie in die heutigen Technologien investieren und die Art und Weise des Verkaufs Ihres Inventars überdenken.
Hierbei sollte im ersten Schritt die derzeitig vorhandene Technologielandschaft des Hotels dokumentiert werden und die einzelnen Vorteile bzw. wichtigen Funktionen die auch für die Zukunft notwendig sind, festgehalten werden.
Auch das Inventar gilt es, neu zu evaluieren und auch unter Berücksichtigung der Verschiedenheiten sowie dem Gästefeedback neu zu gruppieren. Hierbei sollte man durchaus in Betracht ziehen, einzelne Zimmer aus einer bestehenden Kategorie herauszulösen und sie entweder individuell oder aber in einer neuen Kategorie einzuteilen.
Viele Cloud basierte PMS-Anbieter haben einen eigenen Marktplatz, bei dem die entsprechenden zuliefernden Partner ihre technische Lösung vorstellen. Der Vorteil besteht vor allen Dingen darin, dass die Anbindung der Lösungen um ein Vielfaches einfacher und weniger aufwendig ist, als es dies mit fest installierten Altsystemen jemals der Fall war. Auch der Wechsel von einem System zum anderen ist hiermit um einiges einfacher. Neben „Best Practice“ Beispielen technischer Systemzusammenstellungen gibt es einige spezialisierte Berater, die basierend auf dem ausgewählten PMS-System, Hotels in ihren Bedarfen an zukünftige Lösungen beraten und bei der Implementierung unterstützen. Es ist daher auf jeden Fall zu empfehlen, fachliche Berater in Anspruch zu nehmen und sich entsprechende Referenzen über die PMS Anbieter oder auch Zulieferer geben zu lassen.
Wie viele unterschiedliche Anbieter und welche unterschiedlichen Lösungen ein Hotel benötigt, sollte regelmäßig durchleuchtet und angepasst werden.
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Autorin: Carina Stegmayer | GauVendi GmbH
Bildquellen:
Mehr Profit und bessere Gästeerlebnisse
durch Intelligente Differenzierung und
Verkauf ungenutzter Zimmermerkmale.
Wer sich aktuell mit der Positionierung seines Hotels auseinandersetzt und überlegt, wie die eigene Vertriebsstrategie digital abgebildet werden kann und welche möglichen Systeme/Tools dafür geeignet sind, kann die folgenden Tipps und Checklisten zur Anwendung berücksichtigen.
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